Was ist eine Güterabwägung?

Die Güterabwägung spielt für die Bewilligung von Tierversuchen eine zentrale Rolle. Dabei geht es um mehr als nur das Verhältnis von Schaden und Nutzen. Erfahren Sie, wie die Güterabwägung funktioniert und warum sie alleine nicht ausreicht, um die Schweizer Forschung tierfreundlich zu machen.

In den Grundsätzen des Schweizer Tierschutzgesetzes steht: «Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten» (Art. 4 Ziff. 2 TschG). Das entscheidende Wort hier ist «ungerechtfertigt». Geht es um gewichtige Interessen des Menschen, sind auch schwerste Belastungen für Tiere erlaubt. Das gilt auch für die wissenschaftliche Forschung. Darum werden Tierversuche nach einem Verfahren der «Güterabwägung» bewilligt: In der einen Waagschale liegt das «Gut» von Wohl und Würde der Tiere, in der anderen das «Gut» des erwarteten wissenschaftlichen Fortschritts und der gesellschaftlichen Interessen.

Die 4 Schritte der Güterabwägung

Genau genommen besteht das Verfahren der Güterabwägung aus vier Schritten: Erstens muss die forschende Person nachweisen, dass ihr Tierversuch die Forschungsfrage beantworten kann. Hier geht es vor allem darum, ob der Versuch wissenschaftlich «gut gemacht» ist und ob die Ergebnisse wissenschaftlich nützlich sind.

Zweitens muss nachgewiesen werden, dass nur der Tierversuch die Forschungsfrage beantworten kann. Die forschende Person muss sich also mit Alternativen auseinandersetzen und zeigen, dass es für ihre Forschungsfrage keine geeignete tierversuchsfreie Methode gibt. Sobald eine Alternative vorhanden ist, muss man sie auch verwenden.

Drittens muss die forschende Person aufzeigen, welche Interessen der Gesellschaft ihr Tierversuch bedient. Dazu kann zum Beispiel die menschliche Gesundheit gehören, aber auch biologisches Grundlagenwissen. Es geht hier um «Interessen» – um einen potentiellen Nutzen, zu dem die forschende Person einen Beitrag leisten möchte. Zum Beispiel kann ein Versuch zur Entwicklung eines neuen Wirkstoffs beitragen, der potentiell dabei helfen kann, eine bestimmte Krankheit einzudämmen. Doch natürlich heilt eine Studie alleine noch niemanden – sie ist nur eine von vielen Studien, die dazu beitragen, den Wirkstoff zu entwickeln. Und danach muss dieser Wirkstoff auch zugelassen, produziert und verbreitet werden. Darum fragt die Güterabwägung nach Interessen und nicht nach konkretem Nutzen.

Viertens muss die forschende Person aufzeigen, inwiefern Tiere im Versuch geschädigt werden. Leiden die Tiere unter Schmerzen, oder unter anderen Leidenszuständen wie Hunger, Durst oder Angst? Wird ihre Würde in sonstiger Weise belastet, etwa durch Eingriffe in ihr Erscheinungsbild? Im Gegensatz zum Nutzen der Forschung, der bloss potentiell ist, sind diese Schäden unmittelbar präsent.

Die Güterabwägung ist im Prinzip keine reine Alibi-Übung. Sie kann zur Ablehnung von Anträgen führen, auch wenn nur eine Minderheit tatsächlich abgewiesen wird. Das ist aber auch schon der ganze Nutzen des Verfahrens: Es verhindert manche Forschung, es fördert keine. Damit die Forschung in der Schweiz insgesamt tierfreundlicher wird, braucht es zwei Dinge: Erstens Fördermassnahmen für wissenschaftliche Fragestellungen, die sich ohne Tierversuche beantworten lassen. Zweitens braucht es mehr Forschung nach Alternativen zu Tierversuchen. Dafür setzt sich Animalfree Research ein.

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