Drei Gründe, warum es Animalfree Research braucht

Zweck der Stiftung Animalfree Research ist es, auf eine tierfreie Forschung hinzuarbeiten. Doch braucht es solche Stiftungen überhaupt? Wissenschaft und Forschung arbeiten doch selbst in diese Richtung. Prof. Dr. Markus Wild ist Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Basel und seit 2023 Stiftungsratsmitglied bei Animalfree Research. Er zeigt aus, welche Rolle unsere Stiftung einnimmt und weshalb sie unverzichtbar ist.

1. Wissenschaft und Tierversuche brauchen ein kritisches Gegenüber

Vor einige Jahren nahm ich an einer Diskussion über Tierversuche an der Universität Basel teil. Meine Sparingparternin vertrat ein lokales Unternehmen. Zu Beginn wurden wir gefragt, ob wir für oder gegen Tierversuche seien, worauf mein Gegenüber zur grossen Überraschung des Publikums verkündete, sie sei dagegen. Das habe ich seither von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gehört: «Im Prinzip bin ich auch dagegen, Tiere in Versuchen zu verwenden.» Man ist im Prinzip gegen Tierversuche, aber hält Tierversuche für wissenschaftlich unersetzbar, deshalb müssen sie leider weiter durchgeführt werden. Natürlich bräuchten wir in einer perfekten Welt keine Tierversuche, aber wir leben nun einmal nicht in einer solchen Welt.

Mich irritiert diese Haltung. Auch wenn wir nicht in einer vollkommenen Welt leben, müssen wir doch nicht so weiter machen wie bisher. Bei so viel Konservativismus kämen wir überhaupt nirgendwo hin. Ebenso irritierend ist das Dogma, Wissenschaft ohne Tierversuche sei unmöglich. Sicher, man kann auf wissenschaftliche Erfolge verweisen, die sich Tierversuchen verdanken, das bedeutet jedoch nicht, dass es nur mit Tierversuchen geht. Ich dachte immer, die Wissenschaft sei fortschrittlich, undogmatisch, wagemutig usw. Doch wenn es um Tierversuche geht, schwindet der wissenschaftliche Wagemut und ein zäher Konservativismus legt sich auf die Gemüter.

Dabei könnten wir heute schon mit Tierversuchen aufhören und weiterhin Wissenschaft betreiben, innovative Methoden finden, Durchbrüche feiern und von bisherigen Entdeckungen profitieren. Die Wissenschaft selbst ist nicht der Grund, dass das nicht gehen soll, sondern vielmehr die über Jahrzehnte gewachsene Gewohnheit, Tiere als Verbrauchsmaterial zu benutzen. Tiere werden für die Forschung gehalten, gezüchtet, Versuchen unterzogen, in der Ausbildung benutzt, ihre Bestandteile werden in Lehre und Forschung eingesetzt, nur Publikationen, die auf Tierversuche zurückgreifen können, geniessen Ansehen. Lebenszweck der Versuchstiere ist vom Embryo bis zur Entsorgung durch die Wissenschaft diktiert. Eine tierfreie Forschung zielt auf das ganze unheilvolle System der Züchtung, Haltung, Nutzung und Tötung im Namen der Wissenschaft.

Weil die Wissenschaft sich selbst in diesem System eingeschlossen hat, wird sie dogmatisch und konservativ, sobald es um Tierversuche geht. Zudem wird innovativen Forschenden, die nach echten Alternativen suchen, das wissenschaftliche Leben schwer gemacht. Es gibt zu wenige Institute und Professuren, die auf Alternativen zu Tierversuchen spezialisiert sind (in der Schweiz sind es exakt 0.00), der Tierversuch stellt für Karrieren und Publikationen nach wie vor den Goldstandard dar.

Wissenschaft und Forschung brauchen dringend ein kritisches Gegenüber, das dieses System sichtbar macht, Dogmatismus und Konservativismus entgegentritt und mutige Forschende unterstützt. Das ist die unverzichtbare Aufgabe von Stiftungen wie Animalfree Research.

2. Prinzipien dürfen nicht zu einem Feigenblatt für Tierversuche werden

Im Jahr 1959 haben W.M.S. Russell und R.L. Burch die 3R-Prinzipien begründet. Das wichtigste Ziel ist das erste R, die Ersetzung von Tierversuchen durch alternative Methoden. Folglich müsste das Ziel der 3R eine tierfreie Wissenschaft sein. Leider ist dem nicht so. In der heutigen Forschung in der Schweiz wird die Reihenfolge der 3R leider auf den Kopf gestellt und das dritte R (Refine) an erste Stelle gesetzt.

Machen wir das konkret und blicken wir auf die 3R-Webseite von Schweizer Universitäten. Zuerst gewinnt man den Eindruck, dass es mehr Preise für 3R gibt als Forschung. Betrachten wir die drei Beispiele, die die Universität Basel als Vorzeigeprojekte präsentiert. Das Projekt «Genetische Vasektomie statt Operation» hat ein Verfahren entwickelt, Mäuse genetisch statt operativ zu sterilisieren. So kann auf einen operativen Eingriff verzichtet werden, was die Mäuse entlastet. Dieses Refine-Projekt wurde 2019 mit einem Preis ausgezeichnet. Das Projekt «Hühnereier statt Embryos» benutzt Embryos aus Eiern statt jene von Mäusen, was verhindert, dass Mäusemütter zur Gewinnung der Embryos getötet werden. Dieses Projekt versteht sich als Replace-Projekt, weil man weniger Mäusemütter tötet. Das dritte Projekt wurde 2019 ebenfalls mit einem Preis ausgezeichnet. Mäusen werden Schmerzmittel-Depots eingesetzt, sodass die Schmerzlinderung sichergestellt bleibt. Auch das ist ein Refine-Projekt.

Diese Beispiele machen eine Tendenz deutlich. Die 3R werden benutzt, um das System der Tierversuchsforschung effizienter zu gestalten. Sterile und schmerzmittelbehandelte Mäuse werden in Versuchen eingesetzt. Woher die Hühnerembroys stammen, erfährt man leider nicht. Offenbar wird die Nutzung von Tieren ausserhalb wissenschaftlicher Zuchtanstalten als Alternativerfolg gefeiert, obwohl weiterhin Tiere zum Einsatz kommen. Keines der drei Basler Vorzeigeprojekte ist also ein Beispiel für tierfreie Forschung!

Die 3R führen nicht von selbst zu mehr Alternativen zu Tierversuchen, sondern ebenso zu einer effizienteren Fortführung des unheilvollen Systems. Wenn die 3R-Prinzipien zu einem Feigenblatt für die tiergestützte Forschung verkommen, dann brauchen wir neue Ideen auf dem Weg zu einer tierfreien Forschung. Genau dafür braucht es Stiftungen wie Animalfree Research.

3. In einer demokratischen Gesellschaft ist Tierwohl ein öffentlichesAnliegen

Wie gesagt wurden die 3R-Prinzipien vor 65 Jahren eingeführt! Vor sechs Jahren erst wurde das Kompetenzzentrum 3R gegründet und vor zwei Jahren Advancing 3R eingerichtet. Die Prinzipien sind heute im Pensionierungsalter und die grossen Schweizer Initiativen im Kindergartenalter. Dabei kann man nicht einmal sagen, dass diese verspäteten Bemühungen sich der Wissenschaft verdanken. Staatliche Hochschulen verspüren, im Unterschied zu privat finanzierter Forschung, weniger Druck, von Tierversuchen wegzukommen. Es braucht öffentliche Diskussionen und öffentlichen Druck. Dieser wird durch die Bevölkerung, die parlamentarische Politik und private Stiftungen erzeugt, denn die Wissenschaft verhält sich gegenüber Tierversuchen tendenziell dogmatisch und konservativ. In einer funktionierenden Demokratie sollte das Tierwohl ein öffentliches Interesse sein, das uns alle angeht. Darum sollte es nicht nur Expertengruppen überlassen werden, denn auch diese Gruppen verfolgen ihre Eigeninteressen. Das ist der dritte Grund, warum es Stiftungen wie Animalfree Research braucht. Heute mehr denn je.

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